Band. Die fünf Mitglieder trafen sich erstmalig 2008 in politisch unruhigen Zeiten im Keller der American University of Beirut zum nächtlichen Musizieren. Der Name Mashrou‘ Leila kann umgangssprachlich mit Nachtprojekt übersetzt werden. Schnell spielten sie ihre kritischen Texte über die libanesische Gesellschaft, politische Freiheit und moderne arabische Identität auf Konzerten im Indie-Untergrund und dann auch öffentlich, wie bei der Fête de la Musique 2008 in Beirut. In ihrer Heimat sind sie aufgrund ihrer Offenheit zu LGBT-Themen durchaus umstritten. Das Quintett ist mittlerweile eine der berühmtesten Alternativ-Rock/Elektro-Pop Bands der arabischen Welt und hat auch in Europa und den USA eine stetig wachsende und diverse Fanbase. Musikalisch werden hier häufig Vergleiche zu Arctic Monkeys, The Strokes und Radiohead gezogen.
Titel. Djin ist ein Wortspiel aus Gin, dem Wacholderschnaps, und Dschinn, den übersinnlichen Wesen in islamischen Glaubensvorstellungen (ugs. Dämon). In dem Stück führt uns der Autor zu einem der Bacchanalien, den ausgelassenen Weinfesten im antiken Rom. Dort wurde Bacchus verehrt, der Gott des Weines und Rausches in der griechisch-römischen Mythologie. Dieser war berühmt für das Versammeln und das wildeste Feiern bis zur Ekstase. Der Autor war seiner Sorgen müde und beschloss feiern und trinken zu gehen, [Refrain, engl.: Oh I don’t do sodas, man I don’t do tea, I drown my sorrows, forget my name, and give myself to the night], weil nur seine in Gin getaufte Leber ihm helfen würde, sich in Ekstase zu verlieren und den Teufel abzuwehren. Auch die deutsche Geschichte wird referenziert, wo im Text eine Mauer zwischen einem selbst und der eigenen Freude steht: [engl.: A wall as thick as a wine glass, Berlin’s couldn’t stand, Pour me another; tear down the wall]. Wenn also die Berliner Mauer, einst ein Symbol der Macht, zerstört wurde, dann kann auch die eigene Mauer eingerissen werden. Ein Blick in die (ins Englische übersetzten) Lyrics lohnt.
Kontroverse. Die kontroversen und satirischen Texte und Themen der Band stoßen in einigen Staats- und Glaubensgemeinschaften auf Widerstand. Auch dass Sänger Hamed Sinno offen homosexuell lebt, war einigen Autoritäten zu viel. So wurde die Band zeitweise im heimatlichen Libanon sowie in Jordanien mit Auftrittsverboten belegt. Jüngst berichteten auch viele Medien der westlichen Welt über das Auftrittsverbot der Band in Ägypten. Auslöser waren Fans, die im Publikum die Regenbogen-Fahne als Symbol für Toleranz schwenkten. Daraufhin begannen hitzige Debatten in den sozialen Netzwerken des konservativen Landes. Vor Ort wurden fast 60 Personen verhaftet, von denen zehn ein ungewöhnlich schneller Prozess gemacht und Urteile von einem bis zu sechs Jahren Gefängnisstrafe gesprochen wurden.
Album. Ibn El Leil (ugs. Sohn der Nacht) stieg bereits 2015 als digitale Veröffentlichung auf Platz 11 der Billboard World Music Charts ein. Das Release-Konzert zum dritten Album wurde in London gespielt, jedoch weltweit via MTV Libanon übertragen. Mashrou‘ Leila singen arabisch unter anderem über lokale Schießereien, dem Herausfordern von Autoritäten, Sichtbarkeiten von Minderheiten sowie Schwulenrechten. So mancher Song ist „just about getting really messed up at a bar“. Sie widerstehen jedoch dem Druck und Zensurversuchen von christlicher und islamischer Seite. Auch fürchteten sich internationale Plattenlabels um sinkende Verkaufszahlen. Daher waren physische Formate bislang nur live bei Konzerten oder in selektierten Läden im Nahen Osten erhältlich. Umso erfreulicher, dass sich nun ein Plattenlabel gefunden hat, welches das Album in der Deluxe-Version ab November vertreibt.
Weiterführende Quellen
- Let’s talk about einvernehmlichen Sex (taz, 13.10.2017)
- Das ist verdorbene Kunst (SPIEGEL ONLINE, 25.09.2017)
- Arabischer Pop in düsteren Zeiten (FM4, 11.09.2017)
- The truth behind Ibn El Leil: Night, Wine and Gods. (engl., Mashrou‘ Leila Lyrics, 12.12.2015)
Titel: الجن = Djin
Album: اِبن الليل = Ibn El Leil (Deluxe Edition), VÖ: 21.07.2017 (digital) und 17.11.2017 (physisch)
Die weiteren Titel unserer Heavy Rotation der KW 42/17
- C-60 – Tick Tack
- Son Little – O Me O My
- The Horrors – Something To Remember Me By
- Voodoo Beach – Wahn
Guter Inhalt. Schön das auch ihr es in die Öffentlichkeit bringt. #Resistance