Kae Tempest als ein Multitalent zu bezeichnen, wäre fast noch untertrieben: Mit vier Studioalben, einem Roman, einem Sachbuch, drei Theaterstücken und fünf Gedichtsammlungen hat sich Tempest als eine der künstlerischen Stimmen dieser Zeit etabliert. Früher noch unter dem Vornamen Kate bekannt, outete sich Tempest im Jahr 2019 als nicht-binär, also als eine Person, die sich weder der weiblichen noch männlichen Geschlechtsidentität zugehörig fühlt.
Mit ihrer aktuellen Platte „The Line Is A Curve“, die Ende April dieses Jahres zu unserem Album der Woche auserkoren wurde, legt Tempest den Fokus auf die eigene Identität. Es geht u.a. um das Loslassen, Schamgefühle, Ängste, Vereinsamung – und über das Sich-Fallenlassen.
Nach vorangegangenen Tour-Erfahrungen wurde Tempest klar, dass „The Line Is A Curve“ ein „kommunizierendes“ Album werden sollte. Das Konzept manifestierte sich u.a. in den Beiträgen anderer Künstler*innen – wie z.B. Grian Chatten von Fontaines D.C. oder Lianne La Havas. Außerdem wagte Tempest ein Experiment. An einem Studiotag produzierte sie je drei Gesangsaufnahmen in Anwesenheit dreier Generationen: Einem 78-jährigen Mann, den Tempest nie zuvor getroffen hatte, der 29-jährigen Dichterin und Freundin Bridget Minamore sowie drei jungen Fans im Teenie-Alter. Tempest’s Erwartungen wurden völlig übertroffen, denn das Ergebnis und die Bedeutung der Worte klangen jedes Mal komplett unterschiedlich. Tempest erklärt:
Ich möchte, dass die Leute sich von mir, der Person, die diese Platte gemacht hat, willkommen geheißen fühlen. Und ich habe einige meiner leichteren Bedenken fallen gelassen. Ich fühle mich gefestigter in dem, was ich zu tun versuche, wer ich als Künstler*in und Mensch bin und was ich zu bieten habe. Ich empfinde weniger Scham, weil ich mich nicht mehr vor der Welt verstecke.
Auf „The Line Is A Curve“ befindet sich auch unser Titel der Woche „Don’t You Ever“. Ein Song, der in seiner ursprünglichen Form bereits 15 Jahre alt ist. Und aus einer Zeit stammt, als Tempest mit Freund:innen in einer Band spielte und von einem Hippie-Festival zum nächsten zog. Der jazzig angehauchte Track, der von einer komplizierten Beziehung erzählt, ließ Tempest nie los und so lud sie sich die Bandmitglieder von damals, wie z.B. Sängerin Daisy Beau und Schlagzeuger Kwake Bass, ins Studio ein. Mit dem Ziel, endlich wieder zusammen zu spielen und eine Art erwachsene Version des Songs zu produzieren. Denn, so Kae Tempest, handelt es sich bei „Don’t You Ever“ um einen „fucking brilliant song“.
Titel: Don’t You Ever
Interpret: Kae Tempest
Album: The Line Is A Curve
Label: Fiction Records
Die weiteren Titel unserer queeren Heavy Rotation in der KW 28/22
- Christine and the Queens – Je te vois enfin
- Second Cities – Blur In Time
- The Aces – Girls Make Me Wanna Die
- Todrick Hall – SORRY BARBIE
LOHROtation
Den Beitrag zu allen fünf Songs der LOHROtation könnt ihr in der LOHRO-Mediathek nachhören.