Das Jahr 2009 – ein kleiner (subjektiver) musikalischer Überblick von Jule

Folk, Shoegazer, weibliche Sirenen und „irgendwie anders“ Bands waren im Jahr 2009 die Trends, die sich wie Kaugummi durch die Monate zogen. Nicht viele hielten sich bis zum Jahresende, aber genügend, um euphorisch durch den Raum zu tanzen. In der Folkszene wurde besonders das Debüt der Londoner Band Mumford and Sons gefeiert, die Band um […]

Folk, Shoegazer, weibliche Sirenen und „irgendwie anders“ Bands waren im Jahr 2009 die Trends, die sich wie Kaugummi durch die Monate zogen. Nicht viele hielten sich bis zum Jahresende, aber genügend, um euphorisch durch den Raum zu tanzen.

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In der Folkszene wurde besonders das Debüt der Londoner Band Mumford and Sons gefeiert, die Band um Marcus Mumford, der sich schon als Schlagzeuger bei Laura Marling geübt hatte, kreierte ein altmodisch aber dennoch zeitloses Album, das mit Banjo, Harmonien a la Fleet Foxes und viel Hoffnung in den berauschend schönen Songtexten aufwartet und Herzen öffnet.

Mumford & Sons „Winter Winds“

Das Zweitlingswerk der ehemals als fröhlich bekannten Noah and the Whale war ebenso wie das zweite Album von Port O’Brien durch Schicksalsschläge und Verlust gezeichnet. Beide Bands konnten dadurch jedoch ihre Liebe zur Musik hervor heben und zeigen, dass sie auch jenseits der optimistischen Melodien Großartiges komponieren können.

A Place to Bury Strangers und The Pains of being pure at heart bewiesen nicht nur, dass lange Bandnamen unglaublich trendy und nachdenklich sind, sondern auch, dass Shoegazer die nächsten paar Jahre wieder ein brauchbarer Musikbegriff werden kann. Mit bedrohlichen Gitarrenwänden und fragilen Gesängen werden Songs geschaffen, die nicht selten eine wohlige Gänsehaut über den Rücken laufen lassen.

A Place To Bury Strangers „In Your Heart“
Über La Roux oder das Kunsprojekt Lady Gaga brauchen wir hier gar nicht erst zu sprechen, statt dessen lasst uns lieber über Damen wie Bat For Lashes oder Florence and the Machine reden. Erstere hat mit Abstand eines der besten Alben dieses Jahres heraus gebracht, zusammen mit Yeasayer im Produzentensessel ist ihr zweites Album „Two Suns“ eine mythische Reise mit Natasha Khans Alter Ego Pearl, die als eine männerverschlingende Sirene Unglück und Tränen hinterlässt.

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Bat For Lashes „Pearl’s Dream“

Etwas weniger komplex, dafür aber ebenso interessant war das Debüt von Florence Welch, die sich mit „Lungs“ durch blutige Texte, starke Percussion und perfekte Popsongs von Kolleginnen wie Kate Nash mit dem bisschen mehr Umpf abhob.

Die Liste der großartigen Bands, die man irgendwie nicht so richtig einordnen konnte, war dieses Jahr so groß, dass man beinahe befürchten muss, dass sich irgendein blöder Journalist bald einen albernen Genrenamen dazu ausdenkt (keine Sorge, ich werde es nicht sein). Bevor das geschieht, können wir jedoch Alben genießen, die besonders das Konzeptalbum feiern und das so gekonnt, wie selten.
Ob Windmill mit seinem „Epcot Starfield“ eine Ode an die Kurzlebigkeit der kostbaren Menscheit schreibt und das Disney Epcot Center als Zentrum dafür instrumental und kaum elektronisch verarbeitet, oder ob die Antlers mit ihrem wundervollen „Hospice“ die tragische Liebesgeschichte eines Krankenpflegers und einer Krebspatientin erzählen und dabei den Indierock verzerren, Konzepte sahen gut aus im Jahre 2009.

The Antlers „Kettering“

Dead Man’s Bones schrieben beispielsweise mit dem selbstbetitelten Album ein Debüt, dass sich mit den Gruselgeschichten und musikalischen Eigenheiten der 50er beschäftigte und schafften es sogar, einen Kinderchor erfolgreich zu integrieren.

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Dead Man’s Bones „Lose Your Soul“ (live)

Und der fast schon verschrobene Gavin Castleton bastelte sich mit „Home“ tatsächlich eine Liebesgeschichte mit Zombieattacken zurecht und nutzte dafür Pop, RnB, Elektro, 50er Jahre Musicals und dass so gekonnt, dass das Ergebnis einer musikalischen Offenbarung gleicht.
Das beste Konzeptalbum des Jahres dürfte jedoch aus den geschulten Händen der Decemberists gekommen sein, die mit „Hazards of Love“ eine mythische Liebesgeschichte im 70er Jahre Metal mit Folkeinflüssen erzählt haben und dazu die grandiose Stimme von Shara Worden hinzu zogen.

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The Decemberists „The Rake’s Song“

Und was geschah mit dem Britpop?
Nun, es ist ein wenig still geworden, das laut Johnny Marr beste Album, an dem er jemals gearbeitet hatte (The Cribs‚ „Ignore the Ignorant“), war für die Zuhörer vorwiegend durchschnittlich, die Maccabees brachten hingegen mit „Wall of Arms“ ein bezaubernd ehrliches Album über die Liebe heraus und bewiesen einmal mehr, dass Britpop sowohl musikalisch als auch textlich auch mal unschuldig sein kann.

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Maccabees „Can You Give It“

Die Arctic Monkeys zog es aus Großbritannien in die Wüste, wo sie zusammen mit Josh Homme ein Gitarren-lastiges, sperriges Rockalbum hervor brachten, dass mit dem Titel „Humbug“ so manchen Fan verschreckte, aber keineswegs enttäuschte.

Electro dürfte sich langsam aber sicher aus der Indieszene zurück ziehen, es sei denn  es schließt eine symbiotische Beziehung mit Indiebands ein und verwandelt sich mithilfe von Gruppen wie dem Animal Collective, Passion Pit oder den Dirty Projectors in andere verschwurbelte Mischwesen.

Passion Pit „The Reeling“

Musiknerds freuen sich jedoch, dass Freaks wie Dan Deacon oder Boy Eats Drum Machine noch ganz andere Sachen damit machen und fast schon (aber nicht wirklich) unhörbar erscheinen, während sie experimentieren und experimentieren und experimentieren.

Vergessen wurden natürlich etliche andere Bands, aber die fast schon kanadisch klingenden Grizzly Bear mit ihrem wundervollen Album „Veckatimest“ sollten hier noch deutlich empfohlen werden, denn wir alle lieben leicht schrägen Indiepop, der sich verquer und merkwürdig in unsere Herzen schleicht und dazu auch noch mit 60er Jahre Vocals punktet.

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Grizzly Bear „Two Weeks“

Danke 2009, weiter so!

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