Was fällt einem zu Schottland ein? Das Wetter? Die Diestel? Whisky? Haggis??? Alles Dinge, die gemeinhin als rau, zäh, fremdartig gelten und bei denen es durchaus geraume Zeit dauern kann, um ihre innere Schönheit zu erkennen.
Das ist bei Belle and Sebastian anders. Seit mehr als 25 Jahren sind sie Meister des herzerwärmend schönen Indie-Pops, mit dem sie poetische Geschichten aus ihrem meist persönlichen Erleben orchestrieren und geneigte Hörer*innen sofort für sich einnehmen. Speiste sich ihr Sound anfangs noch aus zartem Folk oder dem Pop der 60er Jahre, wurde diesem in späteren Jahren mit Disco, Klezmer, Soul und Europop diverse musikalische Facetten beigefügt.
Sieben Jahre ist es her, seit Belle and Sebastian ihr letztes Studioalbum veröffentlichten. Nicht, dass sie untätig gewesen wären: Sie haben einen Soundtrack geschrieben, ihr eigenes Festival auf einem Kreuzfahrtschiff veranstaltet und 2020 mit „Protecting The Hive“ ein kollaboratives Lockdown-Projekt gestartet, bei dem Fans berichten konnten, wie es ihnen während der Pandemie geht; dies wurde dann audiovisuell verarbeitet.
Doch dieses Jahr wird es ein neues Album geben. „A Bit Of Previous“ wird es heißen, und veröffentlicht werden soll es am 06.05.2022.
Als Appetizer erschien dieser Tage ein erster Song. „Unnecessary Drama“ heißt er und ist doch verdammt dramatisch, nämlich ein Ausbund ungehemmter Spielfreude: treibende Drums, leichtfüßige Gitarren, mehrstimmige Gesangsmelodien und darüber eine omnipräsente Mundharmonika, die alles wie ein Hütehund umkurvt und zusammenhält. Und worum geht es inhaltlich? Sänger und Mastermind Stuart Murdoch erzählt:
Der Song handelt von einem jungen Menschen, der sich nach einer längeren Auszeit wieder im Menschsein übt. Die Person wägt ab, ob es den Stress wert ist oder nicht! Wenn wir die Wahl zwischen Stress und Nichts haben, entscheiden wir uns immer noch für den Stress
Ob er dies auf sich selbst bezieht, weil er in jungen Jahren am Chronischen Erschöpfungs-syndrom litt und kaum das Haus verlassen konnte oder auf uns alle, die wir nach dem „Ende“ der Corona-Pandemie wieder in unser „normales“ Leben zurückfinden und den entsprechenden Umgang mit anderen Menschen neu erlernen müssen, sei dahingestellt. Im dazugehörigen Video zur Single jedenfalls müssen sich die Mitglieder des siebenköpfigen Künstlerkollektivs aus Glasgow selbst einer Mischung aus Gesprächstherapie und Teambuilding-Maßnahmen stellen, um als Band wieder miteinander zu funktionieren.
Außerdem geht es um die Akzeptanz der Tatsache, dass es immer Dinge geben wird, die einmal waren und nicht mehr zu ändern sind; zu lernen, alte Dinge hinter sich zu lassen und neue Chancen mutig beim Schopfe zu packen. Dazu heißt es im Song aus dem Englischen übersetzt:
Und mit einer Plötzlichkeit, die grausam ist, kann alles zum Teufel gehen/ Aber dann findest du einen neuen Weg/ Verlass den alten Weg/ Lass die Spiele hinter dir/ Und beim morgendlichen Aufstieg siehst du den Schmutz und bist erstaunt/ Das ist mein Leben, das ist mein sogenanntes Leben/ Das ist mein Leben, das ist mein einziges Leben
Dies und die Erkenntnis, das unnötige Drama zu vermeiden sind, sind vielleicht die Garanten, um nach so vielen Jahren als Band immer noch kreativ zu sein und mit so viel Enthusiasmus zusammenzuarbeiten.
Titel: Unnecessary Drama
Interpret: Belle and Sebastian
Album: A Bit Of Previous (VÖ: 06.05.22)
Label: Matador Records
Die weiteren Titel unserer Heavy Rotation in der KW 11/22
- BODEGA – Statuette On The Console
- August – Stadt der Einsamkeit
- Pöbel MC – Betonasche
- Bloc Party – Sex Magik
LOHROtation
Den Beitrag zu allen fünf Songs der LOHROtation könnt ihr in der LOHRO-Mediathek nachhören.